Am 9. Mai des Jahres 1772 kam ein junger Mann, 22 Jahre alt, aus einem wohlhabenden Elternhaus stammend, von Frankfurt nach Wetzlar: Johann Wolfgang Goethe, der, einem Wunsch des Vaters folgend, seine juristischen Kenntnisse am damaligen Reichskammergericht vervollkommnen sollte. Er fand eine Wohnung am Kornmarkt, immatrikulierte sich zwei Wochen später. Doch die hohe gerichtliche Instanz mit ihren verstaubten Akten, Wetzlar mit seinen engen Gassen erregten kein großes Gefallen. Überhaupt war Goethe am Ende des Rokoko, wie viele seiner Zeit, allem Natürlichen zugetan. Die Hügel, Wälder und Felder um Wetzlar, die einfachen Leute, sie waren ihm näher. Dazu gehörte auch ein Tanzvergnügen am 9. Juni 1772 im nassauischen Jägerhaus in Volpertshausen, jetzt Ortsteil der Gemeinde Hüttenberg. Schreibt doch Goethe in seinem berühmten Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“, sicher Dichtung und Wahrheit, Wahrheit und Dichtung, über seine Ankunft im landgräflichen Forsthaus: „Kurz, ich stieg aus dem Wagen wie ein Träumender, als wir vor dem Lusthause stillehielten, und war so in Träumen rings in der dämmernden Welt verloren, dass ich auf die Musik kaum achtete, die uns von dem erleuchteten Saale herunter entgegenschallte.“ Wenn Goethe in seinem Werk dem Ball auf dem Lande so viel Aufmerksamkeit zukommen lässt, dann sicher auch, weil er bei diesem Anlass eine junge Frau kennen lernte: Charlotte Buff, 19 Jahre alt, verlobt mit dem hannoverschen Legationssekretär Johann Christian Kestner, die seine Zuneigung fand. Dabei entdeckte er nicht nur den Liebreiz eines natürlichen Wesens, sondern erinnerte sich zugleich an manches Familienglück, das er in Frankfurt und Sesenheim erfahren durfte. Das Haus in der Rheinfelser Straße, das in Goethes Briefroman Eingang fand und damit zum Bestand der Weltliteratur gehört, wird aufgrund des Ereignisses vom Juni des Jahres 1772 heute häufig nach dem späteren Dichterfürsten benannt. Karl-August, der Landgraf von Nassau-Weilburg, ließ das Gebäude, das heute vom Heimatkundlichen Verein Hüttenberg e. V. betreut wird, zwischen 1719 und 1721 am Ortsrand von Volpertshausen als Jagdhaus errichten. Im Erdgeschoss wohnte der Förster, der in Diensten seines Landesherrn war und diesen repräsentierte. Die Räume im Obergeschoss dienten den landgräflichen Jagdgesellschaften. Es gab einen Saal zum Soupieren und Nebenräume zum Nächtigen. Von 1838 bis 1965 war das Gebäude der Ort der Dorfschule. Es ist im Besitz der Gemeinde und steht unter Denkmalschutz. Am 9. August 1992 konnte das Haus im Rahmen eines schönen Festes seiner neuen Bestimmung als Museum übergeben werden. Die Initiatoren sind bestrebt, sowohl der bäuerlichen Tradition Hüttenbergs gerecht zu werden, als auch an die denkwürdige Ballnacht zu erinnern. So zeigt das Museum eine Sammlung zur bäuerlichen Kultur des Hüttenberger Landes. Breiten Raum nimmt die Darstellung der Produktion des bekannten Handkäses ein, der traditionell in der Gemeinde hergestellt wird. Exponate verdeutlichen die Entwicklung der Käseherstellung vom ursprünglichen Formen mit der Hand, das dem Produkt seinen Namen gab, über die Käseklappe bis zur Käseformmaschine. Gebrauchsgut, landwirtschaftliches Gerät, das Mobiliar einer Schulklasse und Hüttenberger Trachten ergänzen diesen Teil der Ausstellung. Sehenswert sind auch die reichhaltig bestückten Wohnräume aus der Zeit um 1900. Im Kontrast dazu steht der Saal der ländlichen Ballnacht des Jahres 1772, im Stil jener Zeit gestaltet. Leihgaben aus Wetzlarer Museumsbeständen sowie Gemälde und Abbildungen einiger Teilnehmer des Ereignisses, auch das der brotschneidenden Lotte und des unglücklichen Jerusalem, laden ein, Goethes Empfindungen nachzuspüren. (Otto Knipp)
Öffnungszeiten des Heimatmuseums:
Jeden zweiten Sonntag im Monat,
14:00 – 18:00 Uhr
Für Gruppen sind auch andere Termine vereinbar.
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