Felix Krakau, geboren 1990 in Hamburg, ist freischaffender Autor und Regisseur. Er studierte Kunst- und Medientheorie an der Zürcher Hochschule der Künste und Theaterregie an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main, war für ein Gastsemester „Szenisches Schreiben“ an der Universität der Künste Berlin und für sein Postgraduiertenstudium an der Kunsthochschule für Medien Köln. Zwischen 2009 und 2018 Assistenzen und Hospitanzen am Schauspiel Frankfurt, der Schaubühne Berlin, bei den Salzburger Festspielen und am Düsseldorfer Schauspielhaus. Von Mitte September bis Mitte November 2020 war er als „Land in Sicht“-Stipendiat des Hessischen Literaturrats in Friedewald. Felix Krakau lebt in Düsseldorf.
hr2-Spätlese: Interview mit Tobias Wilhelm und Felix Krakau
Text und Regie: Felix Krakau Sprecher*innen: Judith Bohle und Kilian Land Komposition und künstlerische Gestaltung: Thomas Klein
5 Fragen an Felix Krakau
Für zwei Monate warst du mit dem „Land in Sicht“-Stipendium 2020 im osthessischen Friedewald mit weniger als 2.500 Einwohner:innen. Du lebst heute in einer Großstadt, bist aber auch selbst auf dem Dorf aufgewachsen. War die Umstellung trotzdem ein Kulturschock für dich? Inwieweit unterscheidet sich das Leben in Friedewald von dem Dorfleben deiner Jugend?
Felix Krakau: „Dorf“ muss ich kurz etwas einordnen, ganz so klein war es dann doch nicht, aber viel Landschaft gab es und Ruhe direkt vor der Haustür, am Rand des Teutoburger Waldes. Den weiten Blick war ich also gewohnt. Der große Unterschied war natürlich die Vertrautheit damals und die Fremdheit jetzt, in der Jugend hatte ich meine Freund*innen, bekannte Wege und Routinen, es war mein Alltag und ich kannte es nicht anders – Friedewald war völlig neu. Trotzdem – und auch wenn ich aktuell in der Großstadt wohne – war es überhaupt kein Kulturschock, sondern eine extrem willkommene Möglichkeit, in Ruhe und Konzentration an meinen Texten arbeiten zu können, andere Perspektiven einzunehmen und neue Eindrücke zu gewinnen, also genau das, was ich gesucht habe.
Der Text „Softe Paläste“ ist während deiner Zeit in Friedewald entstanden. Wir begleiten in ihm sowohl dich als auch Wilhelm III von Hessen, dessen Geschichte du in dem Text fiktionalisierst. Was hat dich gerade an ihm so fasziniert?
Felix Krakau: Bereits vor meiner Ankunft war klar, dass ich mich mit der mittelalterlichen Geschichte Friedewalds beschäftigen wollte, die Wasserburg im Zentrum findet sich ja sogar im Wappen der Gemeinde wieder. Schon im Theaterregie-Studium hatte ich eine Faszination für Shakespeares Königsdramen, für den Umgang mit Geschichte, für Überschreibungen und das Neustricken von Narrationen. Für das Hineinragen der Vergangenheit in die Gegenwart. Da ich aber Autor bin und kein Historiker, war mir Fiktion wichtiger als Fakten. Ich wollte also eine Art spekulative Geschichtsschreibung angehen: Wie hätte es sein können und was wäre dann gewesen? Dafür habe ich mich auf die Suche gemacht nach Ankerpunkten, Orten, Personen und mich vor allem interessiert für die unbeschriebenen Blätter, die Fußnoten der Geschichte, die No-Names – und bin schließlich bei Wilhelm III. von Hessen gelandet, einem jungen Landgrafen. Dessen Vater, Heinrich III., nutze die Wasserburg als Jagdschloss und Wilhelm wiederum starb nach kurzem, nicht weiter ereignisreichen Leben, bei einem Sturz vom Pferd, knapp 80 Kilometer von Friedewald entfernt. Seine Biografie ist also eine ziemliche Leerstelle, die ich füllen wollte. Daraus entstanden ist eine Art historische Coming-of-Age-Erzählung und Wilhelm diente mir dafür als Folie. Ich hoffe, er wird mir das verzeihen.
„Heimat auf Zeit“ nennst du deinen Aufenthalt in Friedewald in „Softe Paläste“. Was nimmst du aus dieser „Heimat auf Zeit“ mit und was lässt du gerne zurück? Du erwähnst ja auch mehrmals im Text diese „scheiß Stille“…
Felix Krakau: Das mit der „scheiß Stille“ meint der Ich-Erzähler vermutlich auf eine harsche Weise liebevoll, so wie ich das auch sehen würde. Gerade fürs Schreiben konnte ich mir keine bessere Umgebung vorstellen. Dazu kam noch der phänomenale Umstand, dass ich dank der Gastfreundlichkeit von Hotel-Chef Markus Göbel (tausend Dank noch mal!) zwei Monate lang den Spa-Bereich des Schlosshotels nutzen konnte, bis Corona auch dort die Türen geschlossen hat. Prosa und Whirlpool haben also meine Zeit in Friedwald geprägt – und zudem die wahnsinnige Offenheit der Friedewalder und das große Interesse für mein Vorhaben. Wieder mit nach Düsseldorf genommen habe ich zahlreiche (noch) nicht beendete Erzählstränge mit und Anregungen, Ideen und Notizen – ebenso viele habe ich aber auch in Friedewald zurückgelassen, durchgestrichen und gelöscht, der ewige Kreislauf beim Schreiben.
Die Covid-Pandemie hat in der Kultur vielen Veranstaltungen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dein Stipendium konntest du zwar in Friedewald verbringen, aber viele geplante Veranstaltungen mussten ausfallen bzw. werden hoffentlich dieses Jahr nachgeholt. Was hättest du dir noch für die Zeit vor Ort gewünscht?
Felix Krakau: Natürlich hätte ich gerne mehr Zeit gehabt für Begegnungen und Veranstaltungen, u.a. im Kopf hatte ich noch eine Spa-Lesung oder eine literarische Audiotour durch die Gemeinde. Auch offene Werkstatt-Lesungen waren mal angedacht, alle vierzehn Tage direkt vom Schreibtisch. Dafür sind aber andere schöne Sachen entstanden, wie meine wöchentliche Kolumne im Friedewalder Mitteilungsblatt – der Friedewald Report – oder eben das Hörspiel. Nur dass ich es verpasst habe, ein Spiel der SG Ausbach/Friedewald anzugucken, schmerzt mich.
Als Alternative zu den Veranstaltungen vor Ort ist ja auch das Hörspiel „Softe Paläste“ basierend auf deinem Text entstanden. Wie war für dich die Arbeit daran und ist der Text im neuen Medium für dich nochmal ein anderer geworden?
Felix Krakau: Als die Abschlusslesung abgesagt werden musste, wollte ich den Text ungern in der Schublade verschwinden lassen und ihn stattdessen in anderer Form zugänglich machen – so entstand die Idee zu dem Hörspiel. Schönerweise konnte ich dafür zwei befreundete Schauspieler*innen (Judith Bohle und Kilian Land) und einen Musiker (Thomas Klein) gewinnen, produziert haben wir das Ganze dann nach meiner Abreise in Düsseldorf. Durch die Übertragung in ein anderes Medium entsteht ja automatisch eine Interpretation des Textes, eine andere Deutungsebene, sei es durch die Stimmen oder die Musik – was ich besonders dadurch interessant fand, dass von den Dreien natürlich niemand Friedewald kannte, sie also kein Bild hatten zu den Orten und Situationen, die ich beschrieben habe. Der Text ist dadurch noch einmal weiter von mir weggerückt, fiktionaler geworden, der Ansatz der spekulativen Geschichtsschreibung wurde gewissermaßen eine Runde weitergedreht. Die „Land in Sicht“-Stipendien und der Tag für die Literatur und die Musik werden vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert.